Erstellt von Luisa Jabs; Nana Nkrumah | |   Expert*innen-Interview

Anna-Lena Mergen arbeitet bei BQN Berlin e.V. Sie leitet dort ein Projekt zur Nachwuchsförderung in kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Sie berichtete uns, wie Migrant*innen an die Jobsuche herangehen sollten. Und welche Vorteile diverse Teams für Unternehmen bieten:

Was sind häufige Probleme für Zugewanderte auf dem deutschen Arbeitsmarkt?

Das können unpersönliche Faktoren sein, wie die Anerkennung von Abschlüssen. Das größte Problem sind jedoch meist Absagen oder das Nicht-Einladen zu Vorstellungsgesprächen. Bei gleicher Qualifikation müssen sich Bewerbende mit Migrationserfahrung aufgrund von diskriminierenden Haltungen öfter bewerben. Ein Beispiel: Frauen mit nicht deutsch-gelesenem Namen müssen sogar viermal so viele Bewerbungen schreiben. Das liegt meist nicht an den Unterlagen oder an den tatsächlichen Qualifikationen. Sondern daran, dass auf Grund von Vorurteilen Migrant*innen weniger zugetraut wird.

Außerdem kommt es häufig vor, dass in Jobanzeigen Qualifikationen genannt werden, die für die Stelle nicht notwendig sind. Das führt dazu, dass viele sich gar nicht erst bewerben.
Deutschkenntnisse sind aus unserer Erfahrung meist eine kleinere Hürde als angenommen: Ein offenes Gespräch über die konkreten sprachlichen Anforderungen und die Möglichkeiten, diese Fähigkeit On the job auszuweiten, ist oft erfolgreich. Auch Praktika oder eine Forschungsarbeit können helfen, das standardisierte Auswahlprocedere zu umgehen und mal in das Unternehmen reinzuschauen, um sich so eine mögliche Chance zu eröffnen, in dem Unternehmen einen festen Job zu finden.

Wie sollten Interessierte mit Unternehmen am besten Kontakt aufnehmen, wenn sie dort einen Job haben möchten?

Ich empfehle immer, auf interessante Unternehmen direkt zuzugehen, unabhängig davon, ob diese eine Stellenausschreibung inseriert haben. Wenn Sie eine Ausschreibung entdecken, fragen Sie telefonisch nach: Muss ich wirklich eine Ausbildung nachweisen oder ist meine Erfahrung in Bereich XYZ äquivalent? Welche der Anforderungen sind unbedingt erforderlich, welche sind gewünscht, stehen aber nicht direkt in der Stellenanzeige? Wenn Sie sich bewerben, sollten Sie nach Möglichkeiten fragen, Ihre Stärken und Fähigkeiten in den Fokus zu rücken: Kann man sich auch ohne Foto oder ohne Motivationsschreiben vorstellen? Haben Sie den Mut, auch nicht formale Qualifikationen als Potenzial zu benennen. Falls Sie eine Absage bekommen, oder nichts hören, fragen Sie unbedingt nach Feedback! Bei Einladung zu einem Gespräch ist die Transparenz beim Interviewprozess wichtig: Was kann ich vorbereiten? Wie wird es ablaufen? Stellen Sie auch hierzu Fragen - das zeigt Interesse und ist aufschlussreich, wie das Unternehmen mit internen Prozessen umgeht. Schauen Sie auch gezielt, ob das Unternehmen sich zur Vielfalt bekennt, um zu sehen, welches Unternehmen für Sie interessant sein kann. Werden Menschen mit Migrationserfahrung zum Beispiel durch die Bildsprache direkt angesprochen?


Gibt es bestimmte Unternehmen, bei denen Zugewanderte besonders hohe Erfolgschancen haben?

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) repräsentieren rund 99 % aller Unternehmen in Deutschland. In diesen Unternehmen sind Hierarchien flacher. Somit ist es tendenziell möglich, Prozesse maßgeblich mitzugestalten. Das ist auch ein Vorteil in der Personalarbeit. Das heißt, Personalprozesse können insgesamt individueller und direkter angegangen werden. Das ist eine Chance, schneller in den Arbeitsmarkt zu kommen.


Welche Vorerfahrungen können besonders Migrant*innen bei der Jobsuche einbringen? Was sind Vorteile vielfältiger Teams?

Bei Unternehmen geht es oft um das betriebswirtschaftliche Konzept „Diversity Management“. Oft fehlt es noch an einer nachhaltigen Entwicklung der Unternehmen in Richtung Kultur der Offenheit. Dabei bietet das starke Vorteile: Die Förderung personeller Vielfalt schafft für das Unternehmen bessere Konkurrenzfähigkeit. Zusätzlich vergrößert es Kundenstamm und Zielpublikum, da diese ebenso vielfältiger werden. Gleichzeitig werden Strukturen der Verbindlichkeit geschaffen, es wird ein Bewusstsein für Diskriminierung und deren Vorbeugung entstehen. So kann allen Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben werden, ihr Bestes zu zeigen. Das hat auch motivierende Aspekte für das schon bestehende Team.

Außerdem wird Diversity-Kompetenz zunehmend zur Schüsselkompetenz. Menschen mit Migrationserfahrung bringen diese eher mit, zum Beispiel in Flexibilität, Selbstreflexion und Lernbereitschaft. Vielfaltsgerecht handeln ist eine tägliche Arbeit an uns selbst. Menschen mit Privilegien müssen diese erkennen, um gezielt gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorzugehen. Vielfalt ist das, was alle bereits mitbringen, das was uns ausmacht. Um Vielfalt am Arbeitsplatz zu fördern, brauchen wir Strukturen auf Augenhöhe und ein ehrliches Interesse füreinander.

Herzlichen Dank für das Interview und die vielen hilfreichen Tipps!

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Hier erfahren Sie mehr über das Projekt Vielfaltsgerechte Nachwuchssicherung für Berliner KMU.

 

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