Das 18-monatige Forschungsprojekt, aufgelegt im Rahmen des Programms "Forschungsassistenz", bewegt sich im Themenfeld Frühwarnung und Monitoring von Schneelasten auf Gebäudedächern.
Als Förderer dürfen der Sozialfonds der Europäischen Union (ESF) und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung Berlin genannt werden.
Das Projekt fand zwischen Juli 2012 und Dezember 2013 statt, der Webdienst ist weiterhin aktiv.
Schneelasten auf Gebäudedächern können zu statischen Problemen führen, im Extremfall kann ein Gebäude unter der Auflast kollabieren. Tragisches Beispiel dafür ist der Einsturz der Eislaufhalle in Bad Reichenhall am 2. Januar 2006 mit 15 Toten und zahlreichen Verletzten. Diesem Risiko kann durch permanente, weitgehend automatisierte Beobachtung und Dissemination der aktuellen Schneeauflast begegnet werden, um dann bei kritischen Situationen schon eingreifen zu können, bevor ein Gebäude Gefahr läuft, einzustürzen. Genau dieses Ziel verfolgt das Forschungsprojekt BE-SAFE.
Im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf wird das Monitoring der Schneelasten auf öffentlichen Gebäuden derzeit noch manuell von verschiedenen Fachleuten übernommen, wobei manuell-analoge, aber sehr zuverlässige und langjährig bewährte Methoden zur Beurteilung der aktuellen Dachauflast zur Anwendung kommen. In ausgedruckten Datenblättern, die aus Excel Dateien des Grundbuchkatasters bestehen, wird die Berechnung der Auflast für jedes öffentliche Gebäudeobjekt individuell fortgeführt. Wird der statische Grenzwert für ein Gebäude erreicht, können mehrere Aktionen durchgeführt werden; von der Räumung des Daches durch ein spezialisiertes Dachdeckerunternehmen bis hin zu Evakuierung und Sperrung. Diese Methode wird seit mehreren Jahren von dem Berliner Ingenieurbüro Dipl.-Ing. Laschinski im Auftrag und in Kooperation mit dem hiesigen Baumanagement Steglitz-Zehlendorf durchgeführt.
Die gut bewährte Arbeitsweise hat allerdings zwei entscheidende Defizite: Erstens ist die Kommunikation der Partner untereinander aufwändig und nicht immer gewährleistet, wie beispielsweise bei Abwesenheit aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Wochenenden und Feiertagen. Zweitens kann mit dem angewendeten Verfahren die Schneelast nur näherungsweise abgeschätzt werden. Einflüsse wie etwa die Verringerung der Schneelast durch Abschmelzen oder starke Erhöhung der Schneedichte durch Schneeverdichung oder Eisbildung können derzeit nur bedingt berücksichtigt werden. Als Konsequenz kann die aktuelle Auflast entweder zu hoch, durchaus aber auch zu niedrig eingeschätzt werden. Erster Fall ist unter Sicherheitsaspekten zwar sinnvoll, kann aber bei unnötiger Räumung des Daches zu erheblichen Mehrkosten führen; der zweite Fall stellt ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar.
BE-SAFE Forschungsziel: Optimierung der Methode mit Hilfe eines internetbasierten Analyseprozesses
Um den sensiblen und äußerst sicherheitsrelevanten Prozess nachhaltig zu verbessern, wird ein digitales, internetgestütztes System auf Kartenbasis entwickelt. Damit sollen alle Akteure die aktuelle Schneelastsituation über ein benutzerfreundliches Front-End im Browser einsehen, und gegebenenfalls auch auf die Informationen zugreifen können. Der zentrale Anspruch dabei ist die automatisierte Darstellung der Echt-Zeit-Werte mittels eines digitalen Kartendienstes in Form eines auf vier Farben erweiterten Ampelschemas.
In der ersten Projektphase soll das System mit Messdaten zur Schneelast von zwei hierfür eigens installierten Schneewaagen (Photo) versorgt werden. Später sollen diese durch ein konzeptionelles Index Modell auf Basis weniger, aktueller Klimaindizes ersetzt werden. Dieses Modell soll für jedes Objekt nach vordefinierten Objektklassen – wenn nötig zusätzlich durch individuelle Gebäudespezifika – angepasst werden. Eine empirische Forschungskomponente liefert für die Einteilung der Gebäude nach Klassen die nötige Datenbasis. Zunächst muss über den Tagesverlauf der Temperaturkurve auf unterschiedlich exponierten und geneigten Dächern unter Berücksichtigung der Wärmedämmung das Abschmelzverhalten empirisch gemessen werden. Für Gruppen von Dachtypen lässt sich in Abhängigkeit dieser Dachspezifika das Abschmelzverhalten über den Tagestemperaturverlauf modellieren. Daraus werden dann Einflussfaktoren für die voraussichtliche Entwicklung der Schneelast ermittelt. Weitere mögliche Einflüsse standortbezogener Faktoren wie Seehöhe und Klimaregime, sowie der Winterphasen werden auf Signifikanz geprüft und können als Faktoren integriert werden. Um die Genauigkeit des Modells zu erhöhen, werden diskrete Daten von Klimastationen wie Schneehöhe und Schneedichte kontinuierlich abgerufen und als Referenzwerte mit den Modellberechnungen abgeglichen.
Am Ende soll mit BE-SAFE ein internetbasiertes Geographisches Informationssystem (WebGIS) entstehen, das die aktuelle Auflast für jedes Gebäude aus verschiedenen Informationsquellen vernetzt berechnet, und über den Kartendienst anzeigt. Das System setzt sich aus OGC-Geoservices zusammen die im vernetzten Zusammenwirken der einzelnen Komponenten ein effizientes Frühwarnsystem auf digitaler Kartenbasis ergeben. Dafür werden die Messwerte aus Wetterstationen verschiedener Anbieter in kurzen Zeitintervallen abgerufen, und zusammen mit den Werten der Schneewaagen in einer Geodatenbank gespeichert, um daraus nach definierten Modellvorgaben die aktuellen Schneeauflasten zu generieren. Der bisherige Ablauf soll nicht nur deutlich zuverlässiger, schneller, einfacher und in der Summe effizienter gestaltet werden, darüber hinaus ist geplant, weitere Nutzergruppen in das System einzubinden. Hier ist insbesondere an für die Sicherheit von öffentlichen Gebäuden verantwortliche Personen gedacht, die den Notfallplan umsetzen können. Die Mehrheit der Nutzer kann nur die aktuelle Schneelast einsehen – für bestimmte Nutzergruppen soll das kartographische Front-End zusätzlich direkten Zugriff auf die Datenbank gewähren. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Informationsquellen ausfallen oder Eingriffe des Administrators nötig sind. Damit wird BE-SAFE ein Frühwarnsystem sein, das bei zu hoher Schneeauflast in einer automatisierten Meldekette den Ablauf der Räumung von Dächern durch Vertragsdachdecker auslösen kann, um so tragische Unfälle wie in Bad Reichenhall zukünftig vermeiden zu können.