Kunststoffprodukte sind in unserem täglichen Leben allgegenwärtig und oft sehr nützlich. Jährlich werden weltweit über 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, mit einer stetig steigenden Tendenz. Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt, was zu einem Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre führt und unser Klima belastet. Zudem werden herkömmliche Kunststoffe in der Umwelt nicht biologisch abgebaut, sondern sehr langsam zu Mikro- und Nanoplastik zersetzt. Dies führt neben massiver Verschmutzung unserer Ökosysteme zu Störungen der Nahrungsketten auf allen Ebenen. Die gesundheitlichen Folgen für Mensch und Umwelt sind noch nicht vollständig abzusehen. Biokunststoffe sind eine vielversprechende Alternative, um herkömmliche Kunststoffe teilweise zu ersetzen. Allerdings ist der Marktanteil mit ca. 2 Millionen Tonnen pro Jahr noch sehr gering, was unter anderem an den Kosten für Rohstoffe, USP und DSP liegt. Auch nicht adaptierte Verarbeitungsprozesse spielen eine Rolle, da in der Kunststoffindustrie in der Regel sehr große Mengen benötigt werden, um diese Prozesse zu optimieren.

Im Jahr 2022 waren 48,5 % der produzierten Biokunststoffe (1,1 Millionen Tonnen) zudem nicht biologisch abbaubar. Der Schwerpunkt der Gruppe um Professor Riedel liegt auf der bioverfahrenstechnischen Produktion von Polyhydroxyalkanoaten (PHA) Biopolymeren, die in natürlichen Umgebungen wie Böden und Meeren vollständig zu CO2, Wasser und Biomasse abbaubar sind, ohne dass schädliches Mikroplastik entsteht. PHAs sind Polyester und haben vergleichbare Eigenschaften wie herkömmliche Kunststoffe, die durch die Monomerzusammensetzung und das Molekulargewicht der PHAs gezielt beeinflusst werden können.

Anwendungen finden sich in verschiedenen Bereichen wie der Agrar-, Lebensmittel- und Verpackungsindustrie sowie der Medizintechnik. Viele Mikroorganismen synthetisieren PHA intrazellulär aus nachwachsenden Rohstoffen als Kohlenstoff- und Energiespeicher. Die Gruppe von Prof. Riedel entwickelt maßgeschneiderte bioverfahrenstechnische Prozesse vom mL- bis zum m3-Maßstab, um aus nachwachsenden Roh- und biogenen Reststoffen PHA mit hohen Produktausbeuten zu produzieren und somit die Herstellungskosten zu senken. Bei der Bioprozessentwicklung werden auch neuartige prozessanalytische Technologien (PAT), wie die Photonendichtewellen-Spektroskopie, zur Prozesskontrolle und -steuerung eingesetzt. Dabei werden auch Strategien entwickelt, um substratflexibel die Monomerzusammensetzung und das Molekulargewicht der PHA-Polymere einzustellen und somit deren Eigenschaften zu steuern.

Weiterhin forscht die Gruppe mit Partnern an einem effizienten und kostengünstigen Aufarbeitungsverfahren zur Gewinnung der PHAs. Ausgewählte Partner entwickeln anschließend im kg-Maßstab Verarbeitungsstrategien je nach gewünschter Anwendung. Dabei kommen je nach Polymereigenschaften Verfahren aus den Bereichen der additiven Fertigung, dem Spritzgussverfahren, der Folienextrusion oder verschiedenen Beschichtungsverfahren zum Einsatz, um die gewünschten Produktanwendungen zu realisieren. Neben öffentlich geförderten Drittmittelprojekten führt die Arbeitsgruppe auch industriegetriebene Auftragsforschung durch. 

Die Gruppe von Prof. Riedel und ihren Partnern forscht derzeit an vier öffentlich geförderten Drittmittelprojekten. Diese Projekte nutzen fortschrittliche Technologien wie metabolisches Engineering und grüne Aufarbeitungsverfahren, um die Umweltbelastung durch Kunststoffe zu reduzieren und nachhaltige Alternativen zu fördern.

1. PHABIO APP: Entwicklung eines geschlossenen Kreislaufs für die Herstellung, Verarbeitung, Recycling und biologischen Abbau von PHA-Biopolymeren aus tierischen Abfallfetten zur Beschleunigung der industriellen Kommerzialisierung.

2. PHABIO UP: Skalierung der industriellen Produktion von biologisch abbaubaren PHA-Biopolymeren aus biogenen Rohstoffen bis zu einem Volumen von 1 m³ und Integration in industrielle Anwendungen.

3. PHAtex: Entwicklung einer grünen Prozesskette zur Herstellung von PHA-Textilfäden aus erneuerbaren Rohstoffen, um Kosten zu senken und die Anwendung in der Textilindustrie zu fördern.

4. PHACoat: Entwicklung eines vielseitigen Produktionsverfahrens für biologisch abbaubare PHA-Biopolymeren, speziell für funktionelle Textilien und nachhaltige Verpackungsalternativen.

Verantwortlicher: 

Prof. Dr.-Ing. Sebastian L. Riedel

Kontakt:

Sebastian.Riedel(at)bht-berlin.de